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Keine goldene Zeiten mit goldenen Daten!

warum Daten nicht das neue Öl oder Gold sein dürfen
#OpenData  #CivicTech 
2021-08-03 Reading time: 4 min
graffiti of a surveillance camera
Photo by Tobias Tullius

Wer das bessere und einfach verständlichere Gleichnis in den Diskurs bringt, gewinnt diesen leichter für sich. Das hat im Infrastruktur-Entwicklungsland Deutschland beim Glasfaserausbau und der Datenautobahn schon super funktioniert.
Rohstoffe sind Materialien, die sich der Mensch zu eigen macht, ohne jemals um Erlaubnis dafür gefragt zu haben. Um Rohstoffe entstehen Kriege und Menschen leiden unter den wirtschaftlichen Interessen weniger Akteure.
Daten mit Rohstoffen zu vergleichen ist nicht nur zu einfach, sondern auch schlichtweg falsch.
Wenn wir dieses Narrativ zulassen, unterstützen wir gleichzeitig, dass Daten die Ursache für Kriege und Menschliches Leid sind.

Öl braucht Millionen von Jahren um zu entstehen, Gold entsteht nur in Supernovae. Daten entstehen mit jedem Klick, mit jeder Bewegung eines Smartphones, weltweit fallen mehrere Terabyte an Daten pro Sekunde an und es werden nicht weniger. Daten sind also kein Gold oder Öl, Daten sind Menschen. Unternehmen und Regierungen versuchen mithilfe von Daten Menschen abzubilden, Vorhersagen zu treffen und Profile zu etablieren. Daten bergen natürlich nicht nur Risiken, sondern auch Gestaltungspotential.

Schon seit einigen Jahren heißt es in der Tech Szene, wenn du für etwas nichts bezahlst, bist du wahrscheinlich das Produkt. Hinter jedem Dienst, den wir nutzen, steht ein Unternehmen, welches in irgendeiner Art und Weise versucht Kapital aus seinen Diensten zu erwirtschaften. Wenn diese Dienste nichts kosten, werden derartige Dienste wohl nicht aus Großzügigkeit gegenüber der Gesellschaft angeboten.

Die Beispiele, die wohl dank immer wieder auftretender Debatten bekannt sind, sind Facebook und Google. Beide verdienen ihr Geld mit Werbung, die direkt auf die Nutzer zugeschnitten ist. Facebook kennt dank Diensten wie Instagram, WhatsApp und Facebook.com ihre Benutzer besser als sie sich selbst. Facebook weiß, wann eine Nutzerin schwanger ist, erkennt Beziehungsprobleme und sogar was nötig ist, um die politische Meinungsbildung zu lenken. Dabei interessieren meist oberflächliche Daten wie der Inhalt einer Nachricht eher weniger. Dank des Netzes aus Inhalten von Facebook und Instagram und Metadaten aus WhatsApp lässt sich sehr einfach ableiten, worüber man mit wem spricht auch, ohne die Inhalte der eigentlichen Nachricht zu kennen.

Laut deinem letzten Instagram Post warst du heute mit Gesellschaft essen, daraufhin hast du eine neue WhatsApp Kommunikation mit einem neuen Kontakt, Ihr schreibt viel hin und her, nebenbei schickst du dir mit deiner besten Freundin noch Sprachnachrichten. Man muss wohl keine besonders tolle KI sein, um zu wissen, in welcher Situation du dich befindest und ob du willst oder nicht, Facebook weiß es auch. Facebook weiß auch, wann er auf einmal sein Interesse verliert und wie oft du in den Chat schaust, ob er nicht doch online war. Dass er den Chat schon lang archiviert hat, sagt dir Facebook und Instagram dann vielleicht durch Anzeigen von Dating Portalen als Werbung oder durch Self-Care Produkte. In Werbeportal von Facebook kann man sehr genau justieren, wer seine Zielgruppe sein soll. Etwa männliche Singles zwischen 20 und 25 die politisch nach rechts tendieren. Welche Algorithmen und Daten zu der Einordnung führen ist natürlich Firmengeheimnis, aber die Kategorisierung ist alles andere als geraten.
Daten werden also, um die Metapher der Rohstoffe heranzuziehen veredelt.

Schauen wir uns nun an einem Beispiel an was mit Daten schiefgehen kann und wie sie helfen können. Google sammelt mit jedem Android Telefon Bewegungsdaten und macht so vorhersagen über das Verkehrsaufkommen, das hilft dabei, dass man Staus vorhersagen kann. Verkehrsplaner könnten solche Daten nutzen, um zum Beispiel Ampelschaltungen zu optimieren oder den Ausbau oder Rückbau von Infrastruktur zu Planen. Der Negative Aspekt an diesen Daten ist, dass Google jederzeit weiß, wo die Benutzer von Android Telefonen sind, wie sie sich bewegen und wann sie wo waren.

In einem Staat mit eingeschränkter Meinungsfreiheit lassen sich so Bewegungsprofile von Einzelpersonen erstellen. Auch, ohne dass diese Personen Nachrichten miteinander austauschen, kann so genau nachverfolgt werden, wer sich wann und wie oft mit wem getroffen hat, ohne dass die Personen davon wissen. Bewegungsdaten werden beim Gestalten der Zukunft eine wichtige Rolle spielen aber diese Daten dürfen nicht auf Individuen zurückverfolgbar sein.

Diese Daten kann und muss man anders erfassen, manch ein Projekt nutzt Infrarot Kameras, um das Verkehrsaufkommen zu erfassen. Diese Systeme sind dahin gehend anonym, als dass sie weder Individuen erfassen noch verfolgen. Diese Systeme sind meist nur sehr vereinzelt an Ampelanlagen angebracht und ermöglichen by Design keine Überwachung. Privatsphäre muss also schon im Design von Datenerfassung einbezogen werden.
Daten werden also, um wieder die Metapher der Rohstoffe zu bedienen, ohne Rücksicht auf Menschenrechte gesammelt.

Gold und Öl sind Rohstoffe, die der Mensch ohne Rücksicht auf den Planeten oder anderer Menschen ausbeutet. Niemand hat die Erde oder die Menschen in den jeweiligen Abbaugebieten gefragt, ob sie mit der Förderung der Rohstoffe einverstanden sind.

Sollen wir also Daten von jedem erheben, ohne dass die Quelle der Daten dem zugestimmt hat? Anders als Rohstoffe sind Daten keine Verbrauchsgüter, einmal erhobene Daten sind immer wieder replizierbar und verschwinden unter Umständen nicht mehr.

Wir leben in einer Zeit voller Daten, Daten, mit denen man viel Gutes tun kann und Daten, die aus ethischen Gesichtspunkten sehr fragil sind. Sie sind immer beides, gut und schlecht.
Sie müssen immer unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, dass sie vorurteilsbehaftet sind. Daten sind nicht das neue Öl, aber Daten bilden die Grundlage für unser zukünftiges Leben. Wenn Daten missbraucht werden, sehen wir uns in einer Welt wieder in der es zwar eine Gleichheit der Bewohner*innen gibt welche aber mit Einschränkungen von Grundrechten daherkommt. Grundrechte auf die, die Menschheit stolz sein kann und deren Einschränkung einen zivilisatorischen Rückschritt bedeutet.

Wenn wir zulassen, dass Daten willkürlich und unreguliert erhoben werden, lassen wir auch zu, dass Menschen wegen Daten zu Schaden kommen und nehmen in kauf, dass Menschen wegen Daten sterben!